Willkommen auf meinem Blog

Ab den 1. Oktober 2024 arbeite ich einen Monat im Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop. Die Kunststiftung Sachsen-Anhalt hat mir ein Aufenthaltsstipendium ermöglicht. Ich bin schon sehr gespannt auf diese außergewöhnliche Kunstzeit und werde Euch hier in diesem Blog von meinen Eindrücken, Inspitationen und meiner kreativen Arbeit berichten.

Ankunft im Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop bei nieselgrauem Wetter. Da ich zunächst meinen Arbeitsplatz einrichten will, stört mich das Wetter nicht. Hier werde ich nun 4 Wochen lang Glas für ein neues Objekt schneiden und natürlich viel zeichnen.

Nach 2 Tagen zeigt sich endlich die Sonne und lädt zu Strandspaziergängen, Fahrradtouren und Schlendern über die Felder ein. Gestern Morgen gegen 8 Uhr verzauberte der Nebel die Boddenlandschaft und die Kühe in „Nebelkühe“.

Inzwischen ist das Wetter wieder launisch geworden, so dass ich in Ruhe an meinem Projekt weiterarbeiten kann, ohne von der Natur abgelenkt zu werden.

Woche 2

Ich beginne mit dem Schneiden der rund 6000 Glasplättchen für mein neues Glasobjekt. Jedes Plättchen ist 3 oder 4 cm lang und ca. 8 mm breit. Der Verbandskasten liegt vorsichtshalber schon mal im Fensterbrett :D

Nachdem die Trägerplatte vorbereitet ist, beginne ich die ersten Felder mit den Glasplättchen zu montieren.

Nach etlichen Stunden Arbeit lege ich eine Pause ein und muss an die frische Luft. Der stürmische Wind lässt das Meer schäumen.

Die Abende sind im Künstlerhaus Lukas mit unglaublich spannenden Filmvorführungen, Ausstellungen und der Buchvorstellung „SEEK“ von Lutz Dammbeck gefüllt. Hier geht es um Verquickungen von Kunst, Politik, Wissenschaft, Psychologie und Digitalisierung, die Wissenschaft der Kybernetik. Themen von Macht und Ohnmacht, Psychologie und Manipulation in der westdeutschen Gesellschaft werden in der Filmtriologie von Lutz Dammbeck u.a. hinterfragt.

Zurück ins Studio: die Arbeit wächst.

Zur Erholung radele ich am Bodden nach Born, vorbei an den Kranichrastplätzen. Alles ist ruhig, leises Rascheln der Blätter, Schilf und Gräser, ab und zu ein Vogelruf.

Auch der nächste Samstag überrascht uns Stipendiaten mit einem interessanten Vortrag über die Romantik. Der Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme und die Philosophin Cornelia Klinger diskutieren im neuen Kunsthaus die anhaltende Wirkung der Romantik. Wie prägt diese unsere  heutige Vorstellung von Natur, Ästhetik und Liebe? Changiert die Romantik zischen Eskapismus, Verklärung und Kitsch? Eine Ausstellung geht der Frage künstlerisch nach. Hier ein wunderbares Kunstwerk des Künstlers Via Lewandowsky:

Ich stapfe durch den Sand am Strand und entdecke die Ruinen eines abgestürtzen Gebäudes am Steilufer zwischen Ahrenshoop und Wustrow. Dabei stelle ich mir die Frage, ist das romantisch?

Die Buhnen haben es mir angetan. Wenn es nicht regnet oder stürmt stehe ich früh auf, schnappe mir mein Graphitstift und Papier und gehe auf Motivsuche. Jede Buhne streift mein Blick, bei den besonders deformierten Hölzern bleibe ich stehen und beginne mit der Frottage. Auf dem Blatt formieren sich Punkte, Linien, Flecke, Kreise und  Leerstellen. Daheim im Studio beginne ich mit den ersten Ausformulierungen dieser kryptischen Zeichen, ein neues rätselhaftes Universum wächst durch meine Hand.

Chaos und Ordnung, Struktur und Auflösung, Nähe und Ferne, Konkav und Konvex, Spannung und Entspannung - die Gegensätze beginnen vor meinem Auge zu flirren.

Es hat geklappt, die erste Rundung des Objekts ist montiert. Aber die Glasstückchen gehen aus, ich muss nachschneiden. Die Blase an meinem Daumen wächst durch das Schneiden mit dem Glasschneider. Die nächsten Tage werden sehr hart und arbeitsintensiv!

Woche 3

Die Arbeit kommt richtig in Fahrt! Ich schneide und schneide, klebe und klebe, schneide und schneide … Zur Entspannung zeichne ich an den Frottagen weiter. Alles wächst. 

Da diese Woche nicht viele Veranstaltungen im Dorf anstehen, keine weite Fahrradtour geplant ist und das Wetter immer mal wieder wechselt, lenkt mich nicht sehr viel vom Arbeiten ab. Außer das gemeinsame Kochen und Essen, jeden Abend ein kulinarischer Genuss!

Meine Zeichnungen geben mir selbst Rätsel auf, was ist da nur entstanden? Was siehst Du? Aus meiner Hand erwachsen fantastische Welten, fremd und gleichzeitig irgendwie vertraut. Da wellen sich Tücher wie eine Rosette, Häuser wachsen gen Himmel, Zahnräder rotieren und  das Innere scheint sich nach außen stülpen zu wollen….

Und wenn das Zeichnen mal auch eine Pause braucht, geht es mit dem Rad raus. Einfach losradeln und schauen, wo man hinkommt, ein bisschen so, wie bei meinen Zeichnungen …

Die Fertigstellung des Glasobjektes ist in Sicht. Die letzten Glasstückchen sind montiert. Ich zähle die Stücke in einem Raster von 10 x 10 cm und multipliziere. Kaum zu glauben, ich habe über 6200 kleine Glasstückchen geschnitten und geklebt!

Für ein erstes Fotoshooting geht es an den Strand. Es ist früh gegen 8, die Sonne scheint, kaum Spaziergänger sind unterwegs, nur ab und zu ein Gassigänger, also ideale Verhältnisse um in Ruhe die Aufnahmen zu beginnen.

Mein Objekt wiegt um die 10 Kilo und trotzdem wird es durch die Kraft des Wassers hin- und hergeschaukelt als ob es eine Feder wäre. Der Sand setzt sich zwischen die Glasteilchen fest, die Füße im eisigen Wasser frieren fast ab, wir müssen aufhören. Vielleicht ist das Filmmaterial ja brauchbar.

Woche 4

Es ist kurz vor dem Tag der offen Tür am 27. Oktober. Das Filmmaterial war ausschließlich im Hochformat gefilmt. Daran hatten wir nicht gedacht, dass ein gewöhnlicher Präsentationsbildschirm üblicherweise im Querformat ist. Also noch mal das Objekt zum Strand hieven und filmen. Ich plane ein Video vom Objekt am Strand im Erdgeschoss und das reale Objekt in meinem Studio im 2. Stock zu zeigen. Ich sichte das Material und stelle fest, dass es für einen Loop bearbeitet werden muss. Dascha hilft und bearbeitet es für die Präsentation.

Die Bildhauerin Anja Spitzer und ich konzipieren unsere Ausstellungsflächen im Haus. Jede öffnet ihr Studio und gemeinsam bestücken wir den Raum vor der Küche. Es wird gehämmert, gehangen, abgehangen, korrigiert und nach 4 Stunden steht die Ausstellung. Wir sind zufrieden und glücklich!

Es ist 15 Uhr am Tag der offenen Tür im Künstlerhaus. Wir öffnen unsere Studios für das Publikum und kommen ins Erzählen, plaudern und es gibt sogar Kaffee und Kuchen. Olivia und Andrea vom Künstlerhaus Ahrenshoop sorgen für das leibliche Wohl, Dascha spielt mein Video ab. Ich sitze in meinem Studio und begrüße die Gäste. Es ist kein Gedränge, doch die Leute die kommen, interessieren sich ernsthaft für unsere Kunst. Und hier kommt nun mein Lieblingsfoto von unserer Ausstellung …

Das kleine Mädchen musste ich einfach fotografieren (mit Erlaubnis des Papas) mit ihrem farblich passenden Prinzessinnenkleid!

18 Uhr werden die Pforten wieder geschlossen und wir feiern den Tag mit einem gemeinsamen Mal und guten Wein :)

Inzwischen sind die letzten Tage in Ahrenshoop angebrochen. Die Arbeiten werden abgehängt und gut verpackt. Mich zieht es am Morgen wie gewohnt in aller Frühe an den Strand. Gewappnet mit Papier und Bleistift frottiere ich einige weitere Buhnenköpfe ab.  Daheim im Atelier habe ich vor, diese eindrucksvollen Strukturen weiter zeichnerisch auszuformulieren.

Mit dem Rad fahre ich an den Weststrand mit einem Umweg über den Bodden und lasse mir den Wind um die Nase pusten – für dieses Jahr wohl das letzte Mal.